Die Ablegereife für Spanngurte und Zurrgurte

Leitfaden zur Ladungssicherung: Wann ist ein Spanngurt ablegereif?

Spanngurte sind unverzichtbare Helfer in der Logistik und im Transportwesen. Sie sichern Ladungen zuverlässig – vorausgesetzt, sie befinden sich in einwandfreiem Zustand. Doch wie erkennt man, wann ein Gurt die sogenannte Ablegereife erreicht hat und aus dem Verkehr gezogen werden muss? Dieser Beitrag bietet einen praxisnahen Überblick über die wichtigsten Kriterien, rechtliche Hintergründe und konkrete Empfehlungen für den Alltag.

Was bedeutet „Ablegereife“ bei Zurr- und Spanngurten?

Der Begriff Ablegereife bezeichnet den Zustand, in dem ein Zurr- oder Spanngurt nicht mehr sicher eingesetzt werden darf, etwa wegen Beschädigungen, Materialermüdung oder fehlender Kennzeichnung. In diesem Fall gilt der Gurt als nicht mehr betriebssicher und muss umgehend aus dem Verkehr gezogen werden.

Wichtig: Anders als bei Helmen oder Feuerlöschern gibt es für Spanngurte kein fest definiertes Ablaufdatum. Die Ablegereife hängt allein vom aktuellen Zustand ab, also von:

  • sichtbaren Schäden,
  • chemischen oder thermischen Einwirkungen,
  • dem Verlust der Etikettierung,
  • oder einer dokumentierten Materialschwächung.

Selbst bei scheinbar intakten Gurten kann die Materialfestigkeit über die Jahre abnehmen. Daher empfehlen Hersteller bei regelmäßiger Nutzung einen Austausch nach spätestens 6 bis 8 Jahren, besonders bei fehlender Prüfdokumentation. Faktoren wie UV-Strahlung, Feuchtigkeit, Frost, chemische Belastung und unsachgemäße Handhabung (z.B. Knicke, Überdehnung, falsche Aufwicklung) beschleunigen den Alterungsprozess. Die Folge: Die ursprüngliche Reißfestigkeit wird unterschritten, was im Ernstfall fatale Folgen hat.

Wichtig: Sobald auch nur eines der weiter unten definierten Kriterien für Ablegereife erfüllt ist, darf der Gurt nicht weiterverwendet werden, unabhängig davon, wie neu , teuer oder bekannt der Hersteller gewesen sein mag.

Arbeiter mit Notizblock für Fracht mit Spanngurten

Wichtige Ablegekriterien im Überblick

Schäden am Gurtband

  • Einschnitte oder Risse: Wenn Schnitte mehr als 10 % der Breite des Gurtbands betreffen, ist die Tragfähigkeit erheblich beeinträchtigt.
  • Beschädigte Nähte: Auflösende oder fehlende Nähte können die Stabilität des Gurts gefährden.
  • Verformungen durch Hitze: Wärmeeinwirkung kann das Material schwächen und zu dauerhaften Verformungen führen.
  • Kontakt mit aggressiven Stoffen: Chemikalien oder andere schädliche Substanzen können das Gurtmaterial angreifen und unbrauchbar machen.
  • Unleserliches oder fehlendes Etikett: Fehlt das Kennzeichnungsetikett oder ist es unleserlich, darf der Gurt nicht mehr verwendet werden. Besonders die zulässige Zugkraft (LG), der Hersteller und ggf. die Prüfplakette sollten klar erkennbar sein.
  • Prüfen Sie Ihre Spanngurte auf das CE-Zeichen. Oftmals zeigen Billig-Importe (vor allem aus China) ein CE Zeichen auf dem eingenähten Etikett. Das ist nicht zulässig und zeugt oft davon, dass die Gurte überhaupt nicht geprüft wurden. Auch solche Gurte sollten abgelegt bzw. ausgetauscht werden.

Achten Sie auf diese weiteren Indikatoren:

  • Verhärtungen oder spröde Stellen am Bandmaterial deuten auf Alterung oder chemische Einwirkungen hin.
  • Farbveränderungen, etwa Ausbleichen oder fleckiges Material, können ein Hinweis auf UV-Schäden oder chemische Einflüsse sein.
  • Ausgeleierte Ratschenmechanik oder hakelndes Schließen kann zur unzureichenden Vorspannung führen.

Mängel an Ratsche und Haken

  • Ratsche: Brüche, Risse oder starke Korrosion an der Ratsche beeinträchtigen die Funktion und stellen ein Sicherheitsrisiko bei der Verwendung dar.
  • Haken: Eine Aufweitung des Hakenmauls um mehr als 5 % oder andere Verformungen sind klare Hinweise auf die Ablegereife. Sie gefährden die sichere Befestigung des Gurtes. Vorhandene Verschluss-Sicherungen sollten einwandfrei funktionieren.

Wichtig: Ratschen dürfen nicht nachgefettet oder mit Schmiermitteln behandelt werden, da Rückstände am Gurtband haften bleiben und die Funktion beeinträchtigen können.

Komplett verrostete Ratsche von einem Spanngurt

Diese Kriterien basieren auf den Vorgaben der DIN EN 12195-2 und der VDI-Richtlinie 2700 Blatt 3.1. Bei festgestellten Mängeln hat der Gurt das Ende seiner Lebensdauer erreicht. Er sollte ausgesondert und eindeutig als „nicht verwendbar“ gekennzeichnet werden. Dokumentieren Sie das Prüfergebnis (Datum, Prüfer, Ergebnis).

Rechtliche Vorschriften und mögliche Konsequenzen

Die Vorschriften zur Ladungssicherung in Deutschland beruhen unter anderem auf der Straßenverkehrsordnung (StVO), dem Handelsgesetzbuch (HGB) und der Unfallverhütungsvorschrift „Fahrzeuge“ (DGUV Vorschrift 70).

In Deutschland regeln verschiedene Vorschriften die sichere Verwendung von Spanngurten:

  • StVO § 22 / § 23: Ladungssicherungspflicht
  • HGB § 412: Verantwortlichkeit von Absender und Frachtführer
  • DGUV Vorschrift 70 (Fahrzeuge): Unfallverhütung im Straßenverkehr
  • VDI 2700 ff.: Technische Richtlinien zur Ladungssicherung

Wer ablegereife oder beschädigte Zurrmittel einsetzt, handelt fahrlässig – mit potenziell gravierenden Folgen:

  • Bußgelder und Punkte: Bei Kontrollen kann die Polizei die Weiterfahrt untersagen und Bußgelder verhängen. Je nach Schwere des Verstoßes drohen auch Punkte in Flensburg.
  • Haftung im Schadensfall: Bei einem Unfall kann der Verlader oder Fahrer zivil- und strafrechtlich haftbar gemacht werden.
  • Versicherungsprobleme: Die Verwendung mangelhafter Zurrmittel kann dazu führen, dass Versicherungen Leistungen verweigern, insbesondere, wenn grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Versicherungen untersuchen nach einem entsprechenden Unfall immer auch die Sicherungsmittel.
  • Verantwortungskette bei der Verwendung von Zurrmitteln: Gemäß § 22 und § 23 StVO sowie § 412 HGB liegt die Verantwortung nicht nur beim Fahrer, sondern auch beim Verlader und Fahrzeughalter. Die Kontrolle der Zurrmittel ist also nicht nur eine Aufgabe des Fahrpersonals.
  • Arbeitsschutzrechtlich relevant: Das Arbeitsschutzgesetz (§ 5, § 12) verpflichtet Arbeitgeber zur Gefährdungsbeurteilung und Schulung beim Einsatz von Arbeitsmitteln wie Zurrgurten. Nicht geschulte Mitarbeitende stellen ein erhöhtes Haftungsrisiko dar.

Kurzum: Der Einsatz intakter, geprüfter Spanngurte ist nicht nur eine Frage der ordentlichen Ladungssicherung, sondern auch der rechtlichen Absicherung.

Hammer der auf mehreren 50 Euro scheinen liegt - Bußgelder für Spanngurte

Empfehlungen für die Praxis

Um die Sicherheit dauerhaft zu gewährleisten, sollten folgende Maßnahmen in Ihrem Unternehmen zur Routine gehören:

  • Sichtprüfung vor jedem Einsatz
    Prüfen Sie vor jedem Gebrauch alle Bestandteile, also Gurtband, Ratsche und Haken auf Beschädigungen. Achten Sie besonders auf Schnitte, ausgefranste Kanten, Verformungen oder Rost.
  • Jährliche Hauptprüfung durch eine sachkundige Person
    Laut VDI 2700 Blatt 3.1 sollte mindestens einmal jährlich eine gründliche Überprüfung durch eine fachkundige Person stattfinden. Diese prüft systematisch alle Komponenten und dokumentiert das Ergebnis.
  • Kennzeichnung und Dokumentation
    Führen Sie eine Prüfdokumentation für jedes Zurrmittel. Hilfreich sind dabei Prüfplaketten, Kontrollkarten oder digitale Systeme, mit denen Wartungsintervalle verfolgt werden können.
  • Einsatz digitaler Prüf-Apps
    Moderne Tools ermöglichen es, Prüfungen direkt über eine App zu dokumentieren. So lässt sich die Historie jedes Gurts nachvollziehen. Das erleichtert interne und externe Audits (z.B. durch Behörden oder Versicherungen).
  • Festes Austauschintervall für häufige Nutzung
    In hochfrequenten Betrieben empfiehlt sich:
    • Austausch alle 2–3 Jahre bei täglicher Nutzung
    • Unabhängig vom Zustand → präventiver Sicherheitsstandard
  • Lagerung, Pflege und Reparatur
    • Lagern Sie Gurte trocken und geschützt vor UV-Strahlung und Chemikalien. Verschmutzte Gurte können vorsichtig mit Wasser gereinigt werden. Achten Sie aber auf eine vollständige Trocknung vor dem nächsten Einsatz.
    • Achtung: Beschädigte Gurte und andere Elemente der Ladungssicherung dürfen nicht repariert werden. Jede Art von Reparatur gefährdet die Sicherheit und die Versicherung!
    • Verwenden Sie Aufbewahrungstaschen oder Gurthalter, um Zurrgurte geschützt aufzubewahren. Die Lagerung direkt auf dem LKW ohne Schutz kann durch Schmutz, Streusalz und Reibung erheblich zur Abnutzung beitragen.
    • Was tun mit ausgesonderten Gurten? Entsorgen Sie ablegereife Gurte so, dass eine weitere Nutzung ausgeschlossen ist, z.B. durch Zerschneiden oder Entfernen der Haken. Vermeiden Sie den Weiterverkauf oder die Zweckentfremdung (z.B. als Spanngurt für Privatgebrauch), da dies haftungsrechtlich problematisch sein kann.
  • Schulungen für Mitarbeitende
    Mitarbeitende müssen regelmäßig unterwiesen werden
    • Verwendung, Prüfung, Erkennung der Ablegereife
    • Pflicht nach Arbeitsschutzgesetz, StVO, DGUV Vorschrift 1 & 70
  • Sensibilisieren Sie Ihr Team für das Thema Ladungssicherung. Schulungen zur richtigen Anwendung und Prüfung der Zurrmittel vor dem Gebrauch sind eine sinnvolle Investition in die Sicherheit.
  • Schulungen zur Ladungssicherung und damit auch zur Ablegereife sind von der Berufsgenossenschaft und vom Gesetzgeber her verpflichtend vorgeschrieben (DGUV Vorschrift 1 & 70, § 22 und § 23 der StVO). Dazu kommen Vorschriften im Arbeitsschutzgesetz und Technische Regeln zur Ladungssicherung aus den Richtlinien des VDI.

Fazit zu der Ablegereife von Spanngurten

Die Ablegereife von Spanngurten ist kein Randthema, sondern ein entscheidender Faktor für Sicherheit und Rechtssicherheit im Güterverkehr. Nur wer Gurte regelmäßig prüft, sachgemäß lagert und rechtzeitig ersetzt, schützt Ladung, Mensch und Unternehmen. Schulungen, Prüfdokumentation und klare Zuständigkeiten zahlen sich aus und vermeiden Bußgelder, Unfälle sowie Versicherungsprobleme.

Glossar zur Ladungssicherung mit Zurrgurten (alphabetisch)

  • Ablegereife Spanngurt: Zeitpunkt, ab dem der Gurt nicht mehr verwendet werden darf
  • DGUV Vorschrift 70: Unfallverhütungsvorschrift für Fahrzeuge (inkl. Ladungssicherung)
  • DIN EN 12195-2: Europäische Norm für textile Zurrmittel
  • Kennzeichnungsetikett: Muss dauerhaft lesbar, vollständig und genormt sein
  • Sachkundige Prüfung: Jährliche Kontrolle durch geschulte Fachkraft inkl. Dokumentation
  • Sichtprüfung: Sichtkontrolle vor jedem Einsatz – Pflicht für alle Anwender
  • VDI 2700 Blatt 3.1: Richtlinie zur Prüfung und Kennzeichnung von Zurrmitteln
  • Vorspannkraft (STF): Kraft, die beim Spannen mittels Ratsche aufgebaut wird
  • Zurrkraft (LC): Maximale Kraft, mit der ein Gurt die Ladung sichern kann